Tierärztin Dr. Karin Schlotterbeck klärt auf:
Die Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems beim Hund und auch bei der Katze. Es handelt sich um wiederholte Fehlfunktionen des Großhirns, bei der das Gleichgewicht zwischen elektrischer Ladung und Entladung der Nervenzellen vorübergehend gestört ist. Eine überhöhte Aktivität von Neuronen, die unkontrolliert Stromstöße abgeben, führt im Großhirn zum epileptischen Anfall. Dieser kann in sehr unterschiedlichen Ausprägungen variieren.
Die Symptome reichen von leichten motorischen Ausfallserscheinungen an unterschiedlichen Gliedmaßen (z.B. Zucken eines Beines oder Muskels), Zucken der Lefzen, imaginäres “nach Fliegen schnappen”, unmotiviertes Bellen oder Kauen. Dies ist der Fall bei einer partiellen oder fokalen Epilepsie.
Bei der generalisierten Epilepsie ist der gesamte Tierkörper betroffen. Es kommt zu Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust, Paddelbewegungen der Gliedmaßen, unkontrolliertem Harn- und Kotabsatz, geweiteten Pupillen (Mydriasis), häufigem vermehrten Speichelfluss und unkontrollierten Kaubewegungen. In solchen Situationen sollten die Besitzer nicht eingreifen, um sich selbst zu schützen. Meistens dauern diese Anfälle nicht länger als zwei Minuten. Einzelne und/oder nur selten auftretende Anfälle haben zunächst keine gesundheitlichen Folgen, es sterben nur sehr wenige Nervenzellen ab. Dauert ein Anfall länger als 10 Minuten (Status epilepticus), was allerdings selten vorkommt, oder wiederholen sich die Anfälle in kurzen Abständen über viele Stunden (Cluster), ohne dass der Hund sein Bewusstsein wiedererlangt hat, so besteht Lebensgefahr und der Hund gehört auf die Intensivstation.
Nach einem Anfall sind die Hunde meistens erschöpft und benommen, manche zeigen noch nach Stunden Drangwandern, Sehstörungen, einen wackeligen Gang oder abnormen Hunger oder Durst.
Epilepsien können angeboren sein oder sich im Laufe des Lebens entwickeln. Man unterscheidet zwischen den drei Formen:
Primäre Epilepsie
Die primäre oder idiopathische Epilepsie tritt am häufigsten beim Hund auf und hat eine unklare Ursache. Es wird ein vererbbarer, genetischer Ursprung vermutet. Das Gehirn dieser Tiere weist keine anatomischen Veränderungen auf.
Diese Epilepsieform tritt zum ersten Mal zwischen fünf Monaten bis fünf Jahren auf und betrifft häufiger die Rassen Labrador, Golden Retriever, Berner Sennenhund, belgischer Schäferhund und irischer Wolfshund.
Die Primäre Epilepsie muss auf jeden Fall behandelt werden, wenn die Anfälle häufiger als einmal im Monat auftreten. Dazu werden sogenannte Antiepileptika eingesetzt.
Sekundäre Epilepsie
Bei der sekundären oder symptomatischen Epilepsie liegt den Krampfanfällen eine strukturelle Erkrankung (wie z.B. Trauma, Entzündung, Anomalie, Infarkt, also Durchblutungsstörung oder ein Tumor) des Großhirns oder eine Gehirnstoffwechselstörung zugrunde. Bei dieser Form gibt es keine bestimmte Altersverteilung.
Die sekundäre Epilepsie ist - je nach Ursache - unterschiedlich therapierbar, deshalb auch mit sehr unterschiedlicher Prognose der Behandlung.
Kryptogene Epilepsie
Bei der kryptogenen Epilepsie ist die Ursache unbekannt.
Hat das Krampfgeschehen seine Ursache jedoch in einer Stoffwechselstörung außerhalb des Zentralen Nervensystems, so spricht man hierbei nicht von Epilepsie, sondern von reaktiven Krampfanfällen. Hierbei betreffen die Krämpfe immer den gesamten Körper. Die Behandlung der Tiere erfolgt in diesem Fall entsprechend dem Ursprung der Stoffwechselstörung.
Wie bei der Primären Epilepsie muss eine Behandlung mit Antiepileptika erfolgen, sofern die Anfälle häufiger als einmal im Monat auftreten.
Vor Beginn der Therapie sollte man immer gut abwägen, inwiefern die Lebensqualität durch gelegentliche Anfälle beeinträchtigt wird im Vergleich zu der starken Wirkung von Antiepileptika (Aktivität wird gehemmt, Müdigkeit, verstärkter Appetit).